Roppongi ~ Bilder angucken und Fernsehen an einem gemütlichen regnerischen Tag~

Montag, der 23. Februar

*brrrrrrrrrrrz** brizzel**zzzzzzt* 

Das Wetter. Heute in Tōkyō besonders regnerisch, so wird es voraussichtlich die nächsten Tage auch bleiben. Die Sonne wird sich wohl erst einmal eine Weile nicht blicken lassen. Also achten Sie bitte darauf ihren Kombini-Regenschirm immer dabei zum haben und ihn notfalls auch beim Betreten eines Geschäftes mithilfe der dafür vorgesehenen Mechanismen einzutüten.
Das war das Wetter. Es folgen die Sportnachrichten. Ich übergebe an meinen Ko…*brrrrrrrrrz*

Eine kleine Einstimmung, was uns heute erwartete: Regen und nasse Bürgersteige. Unser Ausflug führte uns in den Tōkyōter Stadtteil Roppongi, markant für sein Nachtleben und für seine äußert abwechslungsreiche Bebauung mit Gebäuden immenser Höhenunterschiede. 

Es sollte aber keine abendliche Kneipentour werden, sondern eher eine ganz lockere Erkundungstour des Viertels, natürlich zu Fuß. Wir ließen uns vom Wetter keinen Strich durch die Rechnung machen und tapsten mit unseren zum Teil durchsichtigen Regenschirmen (in Japan momentan der absolute Renner) los. Diesmal waren wir zu neunt: Nach und nach dazu stoßende Japanerchen und die deutsche Truppe der Japanologen inklusive Verstärkung: Caroline ist nun auch im Lande. Sie wurde von ihrer Gastmutter zum Bahnhof gebracht, welche zu unser aller Entzücken Shunsuke (bis dahin noch der einzige japanische „Betreuer“) darin einweihte, worauf denn alles zu achten sei, damit ihr Schützling heile wieder bei ihr ankommt, hörte gar nicht mehr auf zu reden und gab ihm alle möglichen Kontaktdaten etc. pp.. Immerhin ist Caro ja ein kleiner Gaikokujin (Ausländer) mit elementaren Japanisch-Kenntnissen, „allein“ im großen, weiten Tōkyō. Die fürsorgliche Dame stand, kaum dass sie sich verabschiedet hatte und weggegangen war, plötzlich wieder neben uns, um nochmal einen letzten kleinen Hinweis zu geben und noch ein weiteres Mal uns allen freundlich zum Abschied zu winken.

Gleich nach der Ankunft an der Roppongi-Station, nach zweimaligem Umsteigen mit der Bahn, nahmen wir den Fernsehsender TV Asahi mit.

Unsere Gruppe: Doraemon, das Maskottchen von TV Asahi, hat sich mal rotzfrech in den Hintergrund geschummelt.

Uns erwartete diesmal keine große Ausstellung und auch kein Eintrittspreis, sondern „nur“ eine Menge Plakate uns bekannter J-Dramas und wieder einmal einer Menge bekannter Schauspieler. Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass das Schauspieleraufgebot Japans wirklich begrenzt zu sein scheint. Viele Werbeplakate mit bekannten Gesichtern, neu ausgestrahlte Doramas mit neuen Schauspielerkombinationen und abends braucht man nur den großen Fernseher in der Gemeinschaftsküche einzuschalten - man findet sicherlich schnell die eine oder andere geistfreie Unterhaltungsshow mit Gastauftritten bekannter Schauspieler. (wir empfangen nur analoges Fernsehen, darin sind wenig Sender enthalten, welche ab und zu mal neben sinnfreier Werbung und den TV-Shows auch Spielfilme ausstrahlen). 

Nach einem für Japan untypischen Lunch mit einer Auswahl verschiedener europäischer Gerichte, pilgerten wir zu einem Gebäude einer sehr besonderen Art von Architektur. Dem „International Art Center Tōkyō“ (Bild links). Ein wirklich riesiges Gebäude, dessen Hälfte des Innenraumes sowohl in Höhe und Breite die Vorhalle in Anspruch zu nehmen scheint. (Bild rechts) Uns erwartete eine Ausstellung der Künstlers Kayama Matazo, welcher vor 5 Jahren im Alter von 77 Jahren verstarb. Er versuchte nach anfänglicher Orientierung an der europäischen Kunst Japanische traditionelle Elemente in seinen Zeichenstil mit einfließen zu lassen und schuf damit eindrucksvolle, stimmungsreiche Werke auf mitunter sehr großen Leinwänden sowie später auch auf traditionellen japanischen Wandschirmen. Seine Motive fand er in der Natur, zeichnete hauptsächlich Landschaften, Tiere und Pflanzen. Ich persönlich war von seinen Werken in vielerlei Hinsicht beeindruckt. Es war nicht die Ästhetik der Darstellungen, welche einem bereits von der anderen Seite beim Betreten Raumes ins Auge stach. Die Motive der Bilder waren, was ihr realistisches Aussehen betraf absolut ausgereift. Kayama bediente sich zum Beispiel verschiedener Techniken zur Zeichnung von Oberflächenstrukturen, sodass selbst die Stichführung bei der Zeichnung verschiedener Tiere etwas über ihre vermeintlichen Charakteristiken verriet. Z.B. Die Zeichnung eines Elefanten mit der Struktur, bestehend aus dünnen ineinander verworrenen Strichen, welche an die faltige Hautstruktur erinnerte, wobei der Elefant gleichzeitig eine Art Sanftmut erhielt - schon allein diese Eigenheit ist zu schwer zu beschreiben, denn man muss das einfach selbst einmal gesehen haben. Und trotz der äußerst realistischen Wiedergabe der Motive wirkt die gestellte Szenerie irgendwie abstrakt, wie eine Momentaufnahme bei absoluter stille. Ich stand vor einem Wandschirm mit dem Titel „Gefrorenes Mondlicht“. Neben Feuer, Kirsch-, Pflaumenbäumen und Krähen schien der Mond wohl Kayamas Lieblingsmotiv gewesen zu sein. Auf diesem finsteren Bild war er jedoch nicht zu sehen, nur ein leichter heller Schleier, eine Berglandschaft im Hintergrund und ein paar gefrorene vom Mondlicht angestrahlte Äste. Um es mal so auszudrücken - Bei diesem Bild hab ich unter meinen Füßen formlich den Boden angefroren von Eis knirschen hören…oO. 

Soviel zu meinem kleinen Abstecher in die Kunst eines Japaners. Kommen wir jetzt zu etwas seichterer Unterhaltung. Drei Fernsehsender hatten wir ja schon, aber das sind noch nicht mal so viele, wie wir hier analog im Wohnheim empfangen können. Daher machten wir noch einmal einen kurzen Abstecher in das Gebäude des TBS (links: Das Maskottchen von TBS, ich hab den Namen vergessen und nenne es jetz einfach mal nur "Schwein") und anschließend stürmten wir eine Einkaufsgalerie, wo ich mich zum ersten Mal seit Beginn meines Japanaufenthaltes meinen Entzugserscheinungen aufgrund des Mangels an Schokolade annähernd entledigen konnte. Immerhin ist Schokolade hier rar und teuer (keine 100g sondern 40g Packungen manchmal sogar zum doppelten Preis, kein Schoko-Cappuccino geschweige denn irgendeine Art von Kakao), hier jedoch gab es eine kleine aber rekordverdächtig kakaohaltige Portion Schokoeis! Teuer hin oder her, da gibt man für einen kleinen Becher ungestreckten, reinen Stoff gerne mal 340 Yen aus. 

Danach machte sich der kleine Schoko-Junkie, der mittlerweile schon wie ein Japaner in der dritten Person von sich schreibt, weil er den ganzen Tag so viel Japanisch spricht, mit den anderen auf den Heimweg, frisch inspiriert und damit bestens vorbereitet auf den nächsten Tag, der ein Dienstag ist, und damit wieder ein freier Tag. Yatta!